Dresden

Spaziergänge + Wanderungen

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Der Honig floss ins

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Die Karte bleibt im

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Spaziergang durch Niedersedlitz und Geschichten.

Der Ruf des Regens zieht mich in die feuchte Melancholie der Strasse.

Dresden versank unter einem Vorhang aus nassem Grau. Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet. Das Wasser stürzte in geraden, silbernen Strähnen herab. Es trommelte auf Dächer und asphaltierte Straßen. Diese feuchte Melancholie zog mich mit einer unwiderstehlichen Kraft nach draußen. Die Abenteuerlust, scharf und klar, drängte mich fort. Sie trieb mich in den Südosten, nach Niedersedlitz. Dieser Stadtteil barg versteckte Geschichten. Er atmete stille Geheimnisse. Ich wollte sie hören.

Die Straßenbahn erreicht ihren Endpunkt in der Stille des nassen Nachmittags.

Die Straßenbahnlinie 6 erreichte ihren Endpunkt. Die Türen öffneten sich mit einem Zischen. Ich trat hinaus in den nassen Nachmittag. Die Stadt löste sich hier auf. Sie zerfloss in stillere Vororte, in eine andere Art von Leben. Vor mir lag der Bahnhof Niedersedlitz, ein Backsteingebäude mit verschlafener Würde. Die Gleise der Straßenbahn endeten in einem stumpfen Betonbett. Der Regen klatschte auf die blanken Schienen. Sie warfen ein trübes Licht zurück. Dies war der Anfang. Der Spaziergang nahm seinen Lauf. Die feuchte Luft roch nach nassem Eisen und feuchter Erde.

Die unsichtbare Naht in der Backsteinwand wo einst ein König wartete.

Ich blieb vor dem Bahnhofsgebäude stehen. Nicht vor den gläsernen Türen des heutigen S-Bahn-Haltepunkts, sondern vor der älteren Backsteinwand daneben. Irgendwo hier, direkt am Bahnsteig, hatte er sich befunden. Der Königliche Salon. Ein Fürstenzimmer für die Reise ins Lockwitztal. Es gab keine Tafel, die darauf hinwies. Keinen abgetrennten Bereich. Nur den gleichen grauen Anstrich wie überall. Ich trat näher an die Wand. Das Mauerwerk war uneinheitlich. An einer Stelle wechselte die Größe der Backsteine abrupt, und die Fugen verliefen in einem anderen Muster. Eine fast unsichtbare Naht in der Zeit. Hier war etwas angebaut gewesen. Hier war es wieder entfernt worden. Ich schloss die Augen und versuchte, den Raum zu errichten. Nicht durch mein Wissen, sondern gegen die Abwesenheit. Hohe Fenster mussten es gewesen sein. Neoklassizistische Stuckleisten unter der Decke. Vielleicht ein schwerer, dunkler Parkettboden. Die Luft hielt nach Poliertem und nach dem leicht öligen Geruch der Kohleöfen. Hier stand der sächsische König und wartete. Er blickte durch das Fenster auf seine Privatbahn, die Lockwitztalbahn, die bereitstand, ihn nach Pillnitz oder in die Prinzliche Villa zu bringen. Der Raum atmete Repräsentation. Er war ein Kokon aus Macht und Distanz inmitten des öffentlichen Verkehrs. Ich öffnete die Augen. Vor mir war nur eine kahle Bahnhofswand. Darüber klebten moderne Hinweisschilder für die S-Bahn. Das Geräusch von Bremsen und Durchsagen füllte die Luft. Nichts von Stuck war geblieben. Nichts von Parkett. Der Salon war nicht umgebaut worden. Er war ausradiert. Seit 1932 war er obsolet. Danach war er nur noch ein Raum ohne Zweck, bis er zu Stein, zu Schutt, zu Nichts wurde. Mein Blick wanderte zum benachbarten Gebäude. Die Spielhalle „Play & Win Casino“. Ihr grelles Licht, das surrende Geräusch von Automaten, das dumpfe Flackern der Bildschirme hinter mattiertem Glas. Sie stand an der Bahnhofstraße 21. Sie beanspruchte nicht den gleichen Boden. Sie war ein völlig anderes Universum. Ein Ort des Zufalls, nicht der vorherbestimmten Ordnung. Ein Ort für anonyme Glücksritter, nicht für namentlich erwartete Könige. Der Kontrast war so absolut, dass er schon wieder harmonisch wirkte. Die Geschichte hatte nicht nur umgebaut, sie hatte ausgetauscht. Sie hatte einen Raum zeremoniellen Wartens ersetzt durch einen Raum sofortiger, blinkender Erfüllung. Beide Male ging es um die Überbrückung von Zeit. Der König wartete auf seine Fähre, der Spieler auf seinen Jackpot. Ich legte eine Hand flach auf die kühle Backsteinwand an der unsichtbaren Naht. Ich spürte keinen Hauch von Vergangenheit. Ich spürte nur den Vibrationston einer einfahrenden S-Bahn, der durch das Mauerwerk drang. Der Königliche Salon war verschwunden. Er existierte nur noch als eine Leerstelle in den Plänen, als eine Fußnote. Sein Geist war verflogen. An seiner Stelle herrschte das definitive, laute, funktionale Heute. Ein Fürstenzimmer aus Luft und Erinnerung, begrenzt von der Geometrie weniger anders gemauerter Steine.

Das rostige Stahlband in der Erde erzählt von einer Bahn die nicht mehr fährt.

Ich verließ den Bahnhof und ging die Straße hinunter, die parallel zu den heutigen Gleisen verläuft. Mein Blick suchte den Boden. Zwischen modernem Asphalt und sauber gesetzten Randsteinen fand ich sie. Zuerst nur eine undeutliche Verfärbung, eine lange, gestreckte Fuge im Belag. Dann, an einer Stelle, wo der Asphalt abgeplatzt war, trat es zutage: ein rostiges Stück Stahl, eingebacken in Stein und Teer. Kein volles Gleis, nur der obere Rand einer Schiene, flach gewalzt von unzähligen Reifen. Die Lockwitztalbahn hatte hier ihre letzte Spur hinterlassen. Ich folgte dieser unsichtbaren Trasse. Sie führte mich von der Haltestelle fort, weg von der Hauptstraße. Der Weg senkte sich leicht. Die Gerade war unnatürlich für eine gewöhnliche Straße. Hier war kein gewachsener Pfad, hier war Planung. Hier war der Anfang der Linie 31. 9,2 Kilometer bis Kreischa. Meterspurig. Eingleisig. Ich blieb stehen und schloss die Augen. Das Rattern war nicht zu hören. Nur das Rauschen eines vorbeifahrenden Autos auf der neuen Straße. Die alten Pläne zeigten fünfzehn Haltestellen. Niedersedlitz Bahnhof. Jacobsplatz. Hummelmühle. Kreischa, Haußmannplatz. Namen wie aus einer anderen Welt. Ich ging weiter und stieß auf einen verwitterten Granitblock, halb von Efeu umschlungen, am Straßenrand. Kein Schild mehr, nur der Stein selbst. Vielleicht ein Fundament. Vielleicht der Rest des Unteren Gasthofs, der bis 1968 bedient wurde. Ein Busch wuchs genau dort, wo einst die Türen der Waggons aufgingen. An einer leichten Biegung spürte ich den Druck in den Oberschenkeln. Die Strecke hatte eine Steigung von 31,8 Promille gehabt. Die Triebwagen mussten hier kämpfen. Mit 600 Volt Gleichstrom in den Oberleitungen. Ein leises Summen und Surgen musste die Luft erfüllt haben, begleitet vom metallischen Reiben der Stromabnehmer. Jetzt war die Luft still und schwer vom letzten Regen. Ich erreichte eine kleine Brücke über den Lockwitzbach. Das Geländer war neu. Aber die Widerlager aus grob behauenem Sandstein sahen uralt aus. Genau hier, an dieser Stelle, verließ die Bahn den geschlossenen Ortskern. Sie tauchte ein ins Lockwitztal. Sie wurde zur Überlandbahn. Sie fuhr durch Sobrigau, durch Gombsen. Sie transportierte Menschen zur Arbeit, brachte Güter ins Dorf, Post. Die Fahrzeit betrug 33 Minuten. Dreiunddreißig Minuten einer anderen Geschwindigkeit. Am 18. Dezember 1977 war die letzte Fahrt. Busse ersetzten die Bahn. Effizienter. Flexibler. Ich bückte mich und berührte das rostige Stahlband in der Erde. Es war kalt und glatt. Kein Vibrieren. Kein nahendes Summen. Nur die Stille eines Sonntagnachmittags. Das Verschwinden war absolut. Es war nicht nur ein Ende, es war ein Ausradieren. Die Schienen wurden ausgerissen, die Masten gefällt, der Schotter abgetragen. Aber die Trasse blieb. Als Gehweg. Als unbebaute Schneise. Als gerade Linie in der Landschaft. Sie war die Negativform der Erinnerung. Die Bahn selbst war fort, aber der Raum, den sie beansprucht hatte, existierte weiter. Ein Geisterfahrplan aus Asphalt und Gras. Ich richtete mich auf und sah die Strecke vor mir liegen, wie sie sich in die Ferne schob, begleitet von Gärten und neuen Häusern. In meinem Kopf setzte sich der Wagen in Bewegung. Ich hörte das charakteristische Quietschen in der Kurve, das Klicken der Weichen, die Durchsagen. Für einen Moment war das Rattern da. Laut und deutlich. Dann öffnete ich die Augen. Ein Vogel zwitscherte. Ein Hund bellte in der Ferne. Die Lockwitztalbahn war verschwunden. Sie lebte nur noch in dieser geraden Linie zu meinen Füßen und in dem kalten Stahl unter dem Asphalt, der meine Schritte nicht mehr erwiderte.

Ein verlassener Unfallwagen zeichnet seine gewaltsame Geometrie in den Graben.

Gegenüber, jenseits des Lockwitzbachs, lag ein Wrack. Die verbogenen Metallteile eines Autos zeichneten eine gewaltsame Geometrie in den Graben. Ein zersplitterter Scheinwerfer starrte blind in den Himmel. Rostblüten hatten das zerborstene Blech überzogen. Sie rankten sich in orangenen und braunen Mustern über die Kanten. Ich blieb stehen. Der Regen trommelte einen gleichmäßigen Rhythmus auf das Dach. Das Wasser sammelte sich in den tiefen Dellen. Es lief in dünnen Rinnsalen über die verbeulte Motorhaube. Die schwarze Straße glänzte. Sie verwandelte sich in einen dunklen Spiegel. Die Welt verdoppelte sich in den Pfützen. Die kahlen Äste der Bäume, die Laternen, mein eigenes Gesicht – alles tauchte auf und zerfloss wieder. Eine feuchte Stille legte sich über Niedersedlitz. Der Regen wusch die Geschichten frei.

Die slawischen Wurzeln des Ortes sind ein Mantra im feuchten Lehm der Strasse.

Ich schlenderte feuchte Straßen entlang. Meine Schritte hallten gedämpft auf dem nassen Pflaster. Hier, im Südosten Dresdens, sprachen nicht die blauen Emaille-Schilder die ältesten Namen. Sie lagen vergraben in Bibliotheken, in Archiven, in den vergilbten Seiten alter Schulbücher. Sedelicz. Sedlica. Die slawischen Wurzeln des Ortes waren hart und weich zugleich. Sie erzählten von einer anderen Zeit. Damals war Niedersedlitz das kleine Dörfchen Sedelitz. Ich stellte mir die Menschen vor. Ich sah sie auf diesen Feldern arbeiten. Ich hörte das Schnauben ihrer Pferde. Der Regen gab der Luft einen scharfen, reinen Geruch. Die Vergangenheit rückte nah heran. Sie war kein abstraktes Konzept. Sie war der feuchte Lehm unter meinen Schuhen. Jedes alte Gebäude, jeder verwinkelte Hof flüsterte seine Historie. Die Silben von Sedelicz und Sedlica wurden zu einem Mantra in meinem Kopf. Sie waren Ursprung. Sie waren Ankunft und Bleiben.

Eine Frau tritt aus dem Schatten und hütet das Geheimnis ihrer prähistorischen Andentanne.

Der Lockwitzbach rauschte leise. Der Regen hatte nachgelassen. Ein feiner Sprühnebel tanzte in der Luft. Mein Blick fiel auf einen Baum. Eine Andentanne. Araucaria araucana. Ihre schuppigen, dunkelgrünen Äste standen starr und fremdartig gegen den grauen Himmel. Die verregneten Blätter glänzten wie frisch lackiert. Sie wirkten prähistorisch, außerhalb der Zeit. Ich hob meine Kamera. Das kühle Metall des Gehäuses fühlte sich vertraut an. Das Objektiv fuhr surrend aus. Eine Frau trat aus dem Schatten des Hauses. Sie trug eine praktische Regenjacke. Ihr Haar war von feinen Wassertropfen bedeckt. Sie gehörte zu diesem Baum. Ihre ganze Haltung sagte es. Ihre Stimme war leise, aber ihre Worte waren eindeutig. Sie bat mich, nicht zu fotografieren. Dieser Baum besaß Persönlichkeitsrechte. Das stand in ihrem Blick. Tiefe Sorge umgab sie wie ein unsichtbares Feld. Ihr Blick hing an dem knorrigen Stamm. Ich nickte. Ich senkte die Kamera. Der ungeschriebene Baum-Datenschutz hatte ein Gesicht bekommen. Ich wanderte weiter. Ohne Bild der Araukarie. Dafür mit einer Geschichte über die Privatsphäre der Niedersedlitzer Flora.

Massige Backsteinbauten erzählen ihre Chronik entlang der Strasse des alten Werks.

Die Werkstraße führte mich über eine Brücke. Unter mir floß der Lockwitzbach, träge und braun. Hier spürte ich den Herzschlag der industriellen Vergangenheit. Massige Backsteinbauten säumten den Weg. Sie erhoben sich wie Festungen. Ihre roten Steine waren vom Regen dunkel gefärbt. Die Fenster waren blinde, schwarze Quadrate. Die Straßennamen erzählten ihre eigene Chronik. Die „Sachsenwerkstraße“ markierte den Anfang. Ich bog auf die Jonsdorfer Straße ein. Ein warmer Duft nach Braten und Kohl wehte herüber. Er stammte von der Gaststätte Reichsapfel. Ihre Fenster waren mit blühenden Geranien geschmückt. Ich überquerte die Bahnhofstraße. Ich marschierte in die Schmilkaer Straße ein. Jeder Schritt auf dem holprigen Pflaster hallte von den vergangenen Industriegiganten wider. Die Luft roch hier nach altem Backstein, nach feuchtem Moos und einem Hauch von Rost.

Das Herz des Geländes summt noch leise von den Visionen aus Stahl und Kupfer.

Die Sachsenwerkstraße führte mich tief ins Herz des Geländes. Moderne Gebäude aus Glas und Stahl standen neben älteren Backsteinbauten. Der Regen hatte wieder eingesetzt. Er rann in Rinnsalen die Glasfassaden hinab. Hier spürte ich den Puls der Technologie. Er war ein leises Summen unter dem Rauschen des Regens. Ich ging eine Runde über das weitläufige Gelände. Deutliche Spuren einstiger Pionierarbeit zeichneten sich ab. Hier entstand der erste Generator für ein deutsches Pumpspeicherkraftwerk. In diesen Hallen nahm die weltweit erste Einheitsmotorenreihe für Niederspannungsmotoren ihren Anfang. Gigantische Maschinen füllten die Räume. Sie bauten Motoren für Straßenbahnen und Lokomotiven. Später versorgte das Sachsenwerk DDR-Haushalte mit Radios und Fernsehgeräten. Selbst heute keimten hier Innovationen. Riesige Windkraftgeneratoren wurden hier entwickelt. Das Sachsenwerk war ein Motor. Es trieb die Elektrifizierung voran. Die Siemensstraße kreuzte meinen Weg. Jeder Winkel dieses Geländes erzählte von einer Zeit großer Visionen. Visionen aus Stahl und Kupfer.

Ein flacher Riegel mit grünen Kacheln erzählt vom Wandel der medizinischen Versorgung.

Direkt neben dem Werksgelände erhob sich ein funktionaler Bau. Ein langgestreckter, flacher Riegel aus den 1960er Jahren. Seine grünen Kacheln glänzten im Regen. Es war das Gebäude der ehemaligen Poliklinik des Sachsenwerks. Hier schlug einst das medizinische Herz der DDR-Gesundheitsversorgung. 1962 öffnete Dresdens erste neue Poliklinik hier ihre Türen. Diverse Fachrichtungen arbeiteten unter einem Dach. Der Geist der zentralen Steuerung wich einer neuen Ordnung. Heute wimmelte das umgebaute Ärztehaus von niedergelassenen Fachärzten. Eine Apotheke füllte ihre Regale mit bunten Packungen. Ein Sanitätshaus bot Gehhilfen und Bandagen an. Die Privatwirtschaft hatte die Organisation übernommen. Doch der Ort blieb ein zentraler Anlaufpunkt. Die Transformation des Hauses spiegelte die Entwicklung des Stadtteils. Vom geschlossenen Industriekollektiv zur offenen, modernen Gemeinschaft. Es blieb ein Ort der Fürsorge.

Die Strasse des Erfinders und der Duft nach Teig prägen den Rhythmus des Stadtteils.

Die Sachsenwerkstraße und die Dieselstraße lagen vor mir. Sie waren stille Zeugen. Die Dieselstraße trug ihren Namen seit 1926. Sie ehre Rudolf Diesel. Ihr Name symbolisierte die tiefe Verbindung des Stadtteils zur Industrie. An der Dieselstraße 49 erhob sich die 66. Oberschule. Die 1894 erbaute Leubener Schule war ein steinerner Beweis für die Bildungsarchitektur jener Zeit. Ihre Sandsteinfassade war wettergegerbt. Rundherum standen Wohnhäuser aus der Gründerzeit. Sie waren mit dem Aufschwung der Industrie entstanden. Gleich gegenüber der Dieselstraße leuchtete das Schild der Pizzeria Tivoli. Ein warmer Geruch nach Teig und Tomaten strömte durch die geöffnete Tür. Bewohner kamen hier zusammen. Sie aßen, tranken, lachten. Diese Mischung aus ehrwürdiger Geschichte und pulsierendem Alltag prägte Niedersedlitz. Der Stadtteil atmete in einem faszinierenden Rhythmus. Die Luft roch nach nassem Stein und geschmolzenem Käse.

Der Kunstrasen des Vereinsplatzes ist ein lebendiges Symbol für die Gemeinschaft.

Mein Weg führte mich zur Sportanlage Breitscheidstraße. Hier lag der Fußballplatz des Sportvereins Eintracht Dobritz 1950. Ein Kunstrasenfeld erstreckte sich in einem perfekten Rechteck. Es war das ganze Jahr über bespielbar. Die Anlage bot Platz für etwa 1.800 Zuschauer. Klare weiße Linien markierten das Spielfeld. Seitenlinien, Torlinien, der Anstoßkreis. Trotz des Regens tummelten sich Jugendliche auf dem Platz. Ihre Rufe und das Klatschen auf nassen Kunststoff schallten durch die feuchte Luft. Eine Herrenmannschaft trainierte in leuchtenden Trikots. Hier traf sich die Gemeinschaft. Jung und Alt teilten eine Leidenschaft. Der Platz pulsierte vor Energie. Er war ein Ort der Begegnung. Die Anfeuerungsrufe, das gemeinsame Ziel – all das schuf einen starken Zusammenhalt. Dieser Fußballplatz war ein lebendiges Symbol. Ein Symbol für das Engagement der Menschen hier.

Der Flutgraben schlängelt sich als grüne Ader durch das Viertel voller Geschichte.

Der Niedersedlitzer Flutgraben breitete sich vor mir aus. Eine Oase der Ruhe. Das Wasser floß leise und gleichmäßig. Es erlaubte die Flucht vor dem Alltagsstress. Hier genoss ich die Natur. Der Graben durchzog das Viertel wie eine grüne Ader. Er verband Straßen und Plätze. Dieses etwa 4,85 Kilometer lange Gewässer hieß einst „Mühl-Graben“. Es speiste Wassermühlen. Es lieferte die Kraft für die Getreideverarbeitung. Heute diente es dem Hochwasserschutz. Es war ein stiller Wächter gegen Überschwemmungen. Das Streichwehr an der Windmühlenstraße leitete das Wasser aus dem Lockwitzbach in den Graben. Auch der Prohliser Landgraben speiste ihn. Bei Starkregen schützte er aktiv. In seinem Unterlauf trennte er Alt- und Neutolkewitz. Schließlich mündete er mit dem Geberbach in die Elbe. Der Flutgraben war ein essenzielles Element. Die Anpassung an den Klimawandel machte ihn wichtiger denn je. Hier verschmolzen Vergangenheit und heutige Funktion. Mitten in der Ruhe der Natur.

Der lange Weg am Bahndamm markiert das Ende der Reise durch den Stadtteil.

Der Weg am Bahndamm zog sich endlos dahin. Ich erreichte den Langen Weg in Dresden-Prohlis. Dieser Abschnitt markierte einen Übergang. Meine Reise durch Niedersedlitz endete hier. Die letzten Schritte führten mich an Häusern vorbei. Ihre Gärten waren verwildert und schön. Ich blickte zurück. Die Begegnung mit der Baum-Besitzerin, die Spuren der alten Industrie, die lebendige Atmosphäre am Fußballplatz – all das blieb. Die vielen Eindrücke hatten sich in mir gesammelt. Sie wurden zu einem Teil meiner eigenen Geschichte. Meine Gedanken schweiften über das Viertel. Niedersedlitz hatte mir einige Geheimnisse offenbart. Es hatte mir seine Geschichten anvertraut. Der Regen ließ endgültig nach. Ein mattes, graues Licht brach durch die Wolkendecke.

Die Geschichte des Bahnhofs ist ein Knotenpunkt aus königlichen Reisen und schmalspurigen Träumen.

Der Bahnhof Niedersedlitz öffnete am 1. August 1848. Er spielte eine bedeutende Rolle. Ursprünglich hieß er Haltepunkt „Nieder-Sedlitz, Lockwitzbach“. Im Laufe der Jahre wuchs er. Ein mit Stuck verzierter Salon entstand in den 1870er Jahren. Das sächsische Königshaus nutzte ihn. Die königliche Familie reiste oft mit der Eisenbahn von Dresden nach Niedersedlitz. Von dort aus setzten sie ihre Reise mit Kutsche und Fähre fort. Ihre Ziele waren das Schloss Pillnitz, die Prinzliche Villa in Hosterwitz und das Keppschloss. Wenige Meter vom Bahnhof entfernt begann die einzige schmalspurige Straßenbahnlinie Dresdens. Die Lockwitztalbahn. Vom 2. März 1906 bis zum 18. Dezember 1977 zuckelte die Linie 31 von Niedersedlitz nach Kreischa. Sie war elektrisch und abgasfrei. Diese historische Bahnlinie verband den Stadtteil mit der Region. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Teile für Personen- und Güterverkehr zusammengefasst. Der Bahnhof erhielt den Namen „Dresden-Niedersedlitz“. Heute ist er ein Verkehrsknotenpunkt. Man steigt um auf die Straßenbahnlinie 6 und mehrere Buslinien.

Ein historischer Namensmarathon spiegelt sich in der asphaltierten Oberfläche wider.

Die Bahnhofstraße ist nach dem Bahnhof benannt. Ihre Geschichte ist bewegt. Ursprünglich ein Verbindungsweg zwischen Niedersedlitz und Großzschachwitz, wurde sie 1953 verlängert. Sie trug verschiedene Namen. Während der NS-Zeit hieß sie Rudolf-Heß-Straße. Davor, ab 1933, Killingerstraße. Man ehrte M. von Killinger, einen SA-Obergruppenführer. 1941 beschloss man die erneute Umbenennung. Zurück zur pragmatischen „Bahnhofstraße“. Dieser Namensmarathon spiegelt die politischen Wirren wider. An der Einmündung des Grasweges steht eine künstlerisch gestaltete Gasdruckregelanlage. Sie entstand im Rahmen des DREWAG-Graffiti-Projekts. Hier treffen Geschichte und moderne Kunst aufeinander. Sie zeigen die Transformation von Niedersedlitz.

Die Strasse der Innovationen wo einst riesige Maschinen die Welt bewegen wollten.

Die Sachsenwerkstraße erinnert an die Blütezeit der sächsischen Industrie. Ursprünglich hieß sie Am Kohlenplatz, dann Königsbrücker Straße. 1938 erfolgte die Umbenennung in Sachsenwerkstraße. Hier entstand das berühmte Sachsenwerk. Ein Zentrum für Elektrotechnik und Maschinenbau. Es war Vorreiter. Es entwickelte die erste weltweite Einheitsmotorenreihe für Niederspannungsmotoren. Es baute den deutschlandweit ersten Wasserkraftgenerator. Die Straße ist gesäumt von imposanten Backsteinbauten im Jugendstil. Sie repräsentieren die Industriearchitektur ihrer Zeit. In der Vergangenheit beherbergte die Straße bedeutende Firmen. Das Transformatoren- und Röntgenwerk Siemens-Plania wurde 1938 ins Sachsenwerk integriert. Später übernahm der VEB Sachsenwerk Niedersedlitz die Räumlichkeiten. Es war das größte Elektromaschinenwerk der DDR. Alleinhersteller für mittlere und große elektrische Maschinen. Es produzierte auch Konsumgüter. Radios, Kühlschränke, Staubsauger. Vom Sachsenwerk ging am 17. Juni 1953 der Volksaufstand in Dresden aus. Die Belegschaft schloss sich dem Protest gegen die Normerhöhung an. Sie organisierte einen Demonstrationszug in die Innenstadt. Ein Spaziergang durch diese Straße ist eine Zeitreise. Die alten Fabrikgebäude werden heute von modernen Unternehmen genutzt. Sie erzählen Geschichten von harter Arbeit und technischen Durchbrüchen.

Die gesammelten Eindrücke werden zu einem Teil der eigenen Geschichte in der Strasse.

Ich saß in der Straßenbahn auf dem Rückweg. Die Lichter der Stadt zogen vorüber. Meine Kleidung war noch feucht. Meine Schuhe schwer von der Nässe. In meinem Kopf hallten die Bilder nach. Der verrostete Unfallwagen. Die glänzenden Blätter der Araukarie. Die roten Backsteinwände. Die lachenden Gesichter auf dem Fußballplatz. Niedersedlitz war kein einfacher Stadtteil. Es war eine Schichtung aus Zeiten. Slawische Wurzeln, industrieller Pioniergeist, DDR-Alltag, moderne Transformation. Alles existierte nebeneinander. Der Regen hatte alles verbunden. Er hatte die Oberfläche durchlässig gemacht für die Geschichten darunter. Ich war durch eine Siedlung der Erinnerung gewandert. Durch ein Sedelicz der Gegenwart. Die Fahrt endete. Ich stieg aus. Die Luft roch immer noch nach Regen. Nach Vergangenheit und frischer Erde.

Mit herzlichem Dank und einem Hauch von Nostalgie aus dem Netz historischer Spuren,
Ihr Niedersedlitz-Erforscher und geduldiger Spurensucher.

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*Der geneigte Leser möge entschuldigen, falls der hier skizzierte Pfad nicht jeden Wandel der Straßenschilder, jede Umwälzung in alten Fabrikhallen oder jeden Windstoß politischer Neuerungen detailgetreu kartiert. Die lokale Geschichte tanzt bisweilen einen rasenden Tango des Vergessens, und wer wollte da schon jeden Schritt genau protokollieren?

Quellenangaben:
Inspiriert von alter Backsteinmauern und Erinnerungen an eine regnerische Tour durch Niedersedlitz.
VEM Sachsenwerk im Wikipedia
Wikipedia: Bahnhof Dresden-Niedersedlitz
Dresden-Lexikon: Bahnhofstraße Dresden
Meyers Konversations-Lexikon 3. Auflage 1874 - 1884
Stadtwiki Dresden

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